Ein Auslandsaufenthalt war schon immer mein größter Wunsch. Ich wollte die Welt entdecken, endlich einmal raus, Erfahrungen sammeln. Und zwar nicht nur als Touristin.
Work and Travel bot sich zwischen Schule und Studium an. Es war genau das, was ich wollte: Reisen, arbeiten, leben. Land und Leute richtig kennenlernen. Ich wollte nach Kanada!
Anders als bei Studienaufenthalten oder einem Engagement als Au pair ist man bei Work and Travel nicht die ganze Zeit an einen Ort gebunden, sondern finanziert sich reisend über Jobhopping.
Es gibt alle möglichen Aushilfsjobs. Ob Farmarbeit, Kellnern oder Hotelgewerbe – irgendetwas findet sich immer, damit man sein Leben auf der Reise finanzieren kann.
Leider (oder zum Glück) kam mir die große Liebe dazwischen und ich wurde schwanger. Mit einem Baby auf Reisen? Würde das gehen? Es ging. Und ich möchte die Erfahrung nicht missen.

Mit der Organisation steht und fällt (fast) alles

Wichtig sind eine gute Planung und Vorbereitung. Vor allem, wenn man mit Kind reist. Schon zu Hause kann es, trotz Oma, Opa und Freunden, schwierig sein, Kind und Arbeit unter einen Hut zu bringen. Wie sollte das erst im Ausland gehen?

Eine Grundvoraussetzung war meine feste Beziehung. Mein Freund hatte gerade seinen Bachelor hinter sich und wollte vor dem Master Studium ein Auslandsjahr einlegen. Wir mussten uns also nicht trennen und konnten alles gemeinsam organisieren.

Man kann seinen Auslandsaufenthalt von verschiedenen Agenturen und Organisationen planen lassen. Manche bieten sogar Rundum-sorglos-Pakete an. Wir wollten unsere Vorstellungen jedoch unabhängig und alleine umsetzen. Agenturen kosten außerdem Geld. Das brauchten wir gerade dringender für anderes.

Reiseplanungen für einen längeren Zeitraum sind mit einem ziemlichen Aufwand verbunden. Die Bedingungen für Einreisevisa, Arbeitserlaubnisse, Versicherungen, Aufenthaltsgenehmigungen etc. sind genau in Erfahrung zu bringen. Dazu kommen Auswahl und rechtzeitiges Buchen von Flügen sowie das Finden von preiswerten Unterkünften. Fehler und Versäumnisse können bei einem Auslandsaufenthalt mit Kind fatal sein.
Und: Man sollte die Lebenshaltungskosten in Deutschland während seiner Abwesenheit, zum Beispiel durch Untervermietung, unbedingt senken.

Für unser Wunschland Kanada benötigten wir ein Working Holiday Visum. Damit hatten wir die Arbeitserlaubnis für ein Jahr. Das Arbeiten mit einem Touristenvisum ist in Kanada illegal. Die Anzahl dieser Visa ist begrenzt. Man muss sich rechtzeitig darum bemühen. Und die Botschaft ist in Wien! Voraussetzung für dieses online zu beantragende Visum sind die deutsche Staatsbürgerschaft, ein noch zwei Jahre gültiger Reisepass, der Nachweis des Rückflugtickets und über ein Jahr reichende eigene finanzielle Mittel, ein einwandfreies Führungszeugnis sowie der Nachweis möglicher Krankenversicherungskosten (gleichfalls für ein Jahr).

Unsere erste Arbeitsstelle suchten wir uns per Internet zu Hause aus.
Wir wollten zunächst nach Montreal, da dort eine Freundin von mir lebte. Hier konnten wir auch zu dritt unterkommen. Jobs fanden wir zunächst für drei Wochen in einem Hotel. Lisa, unsere Tochter, konnte tagsüber bei unserer Freundin und deren Eltern bleiben. So war also – erst einmal – für alles gesorgt und wir hatten auch genügend Zeit, uns alle gemeinsam an den neuen Kulturraum zu gewöhnen.

Arbeit und Leben in Kanada

Unser erster Amtsakt in Kanada war die Beantragung einer Sozialversicherungsnummer. Unser zweiter: Neue Sim Karten für das kanadische Handy-Netz.
Toll war, dass wir eine Freundin hier hatten, die sich auskannte und uns helfen konnte.

Wir hatten uns für einen Monat im Hotel engagieren lassen und suchten bereits nach neuen Jobs, denn wir wollten ja reisen und nicht nur arbeiten. Mit Kind konnte man aber nicht einfach ins Blaue fahren, sondern musste sich schon vorab, um Job und Unterkunft kümmern.

Unsere nächste Station war ein Hostel in Quebec. Dort konnten wir wiederum vier Wochen im Schichtdienst an der Rezeption arbeiten und hatten ein kostenloses Zimmer für Lisa und uns. Also war immer einer von uns beiden für das Kind da und wir sparten die Kosten der Unterkunft.

So reisten wir ein Jahr lang quer durch Kanada und genossen gemeinsam mit unserer Tochter herrliche Landschaften. Wichtig war für uns, dass wir wenigstens drei Wochen an einem Ort bleiben konnten. Einen zu schnellen Wechsel wollten wir unserer Tochter Lisa nicht zumuten.

Der Mindestlohn beträgt in Kanada ungefähr 8,5 Can $ pro Stunde. Finanziell kamen wir damit gut klar, da wir ja beide arbeiteten, meistens umsonst oder sehr günstig wohnten und für unsere Reisen Mitfahrgelegenheiten nutzten. Das Internet war uns eine große Hilfe, Wohngemeinschaften oder ähnliches zu finden.
Die Lebenshaltungskosten in Kanada entsprechen ungefähr denen in Deutschland, wenn man von den Mietpreisen, die deutlich höher liegen, absieht.

Checkliste für Work and Travel mit Kind

  • Wunschland mit der besonderen Situation als junge Familie abgleichen: Klima,
    Infrastruktur etc. müssen für das Leben mit einem Kind geeignet sein.
  • Rechtzeitig Planung erstellen (Antragszeiten und Finanzen berücksichtigen).
  • Rechtzeitig Zwischenmieter für die Wohnung suchen und die Kosten in Deutschland
    senken.
  • Alle Formalien abklären: Polizeiliche Führungszeugnisse, Visa etc. unter Wahrung
    der Fristen beantragen.
  • Rechtzeitig Flüge buchen, um möglichst günstig fliegen zu können.
  • Auslandskrankenversicherung, insbesondere für das Kind, abschließen.
  • Möglichst ersten Job und Wohnung von Deutschland aus abklären.
  • Möglichst Jobs entsprechender Laufzeit suchen, um einen zu schnellen Wechsel mit
    Kind zu vermeiden.

Uns allen hat die Zeit in Kanada gefallen. Im Allgemeinen nehmen nur wenige junge Eltern ihre Sprösslinge zu einem Auslandsaufenthalt mit. Ein Auslandsjahr bedeutet eine neue Umgebung, eine andere Kultur, eine fremde Sprache. Das ist für alle, auch für die Erwachsenen, eine große Herausforderung. Mit einem kleinen Kind kommt noch weiteres hinzu: Man muss sich um das Wohl und die Unterbringung des Nachwuchses kümmern. Man braucht einen geregelten Tagesablauf und immer eine gewisse Sicherheit. Und man braucht Glück! Große Krankheiten kann man sich nicht leisten. Häufig fehlt das soziale Netzwerk, das Zuhause Familien umgibt. Abgesehen von einer kleinen Erkältung blieben uns Kinderkrankheiten erspart. Lisa entwickelte sich prächtig. Für uns war es gut, dass wir die Zeit vor dem Kindergarten, dem Master Studium meines Freundes und meinem Studienbeginn so effektiv nutzen konnten. Unsere Sprachkenntnisse haben sich enorm verbessert und mein Freund und ich sind ein gutes Team, wenn es um das Lösen von Alltagsproblemen geht.

Wir haben Erfahrungen gesammelt, die nicht nur mit Kanada, sondern vor allem auch mit uns als Familie zusammenhängen und uns menschlich weiter gebracht haben.

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